Reisebericht Nr. 23 – Halbnackter Opi wirft Nudel auf den Tisch

19. September 2012, 5 Kommentare

Nach 50 Minuten Wartezeit am Strassenrand wurden wir endlich von Venedig ueber die Bruecke nach Padua gebracht. Ein ca. 70-jaehriger Fiat-Panda-Fahrer hatte Mitleid mit uns. Der ehemalige Mathe- und Physiklehrer offenbarte uns waehrend der Fahrt erst wortreich, dass Italien vor die Hunde gehe. Dann bot er uns seinen Garten zum Zelten an. Wir waren ueberrascht, als wir in einem Vorort von Padua an einem riesigen Rohbau anhielten. Ein kleiner Teil war schon bewohnbar und sogar rot angestrichen. Der alte Mann verlor keine grossen Worte, sondern stuermte in seine kleine Kueche und bereitete sofort 3 Salate, von denen er uns 2 anbot und einen selber herunterschlang. Er meinte, er wuerde uns auch nach Padua fahren, wenn es uns nicht gefiele. Wir verneinten. Daraufhin erklaerte er uns, wie wir die Tuer schliessen koennten, verliess das Haus und fuhr mit seinem Panda wieder weg. Etwas verdutzt blieben wir in der provisorisch eingerichteten Kueche zurueck und wussten nicht ganz, was wir von der Situation halten sollten. Die Wohnung wirkte bedrueckend auf uns, weil alle Fenster vergittert und die Tueren mit dicken Schloessern ausgestattet waren. Ausserdem lagen ueberall Werkzeuge und Kleidungsstuecke herum, sowie eine alte Matratze.

Ratlos und allein in seiner Kueche ueberlegten wir gerade einen Zettel zu hinterlassen und zu gehen, als der Opi mit seinem Panda zurueckkehrte. Er praesentierte uns 2 Flaschen Bier, das er extra fuer uns gekauft hatte und lud uns zum Abendessen ein. So wurde uns die Entscheidung abgenommen und wir bezogen ein kleines vergittertes „Gaestezimmer“. Der Opi drueckte uns zwei alte Bustickets in die Hand und wir machten uns auf den Weg zu Bushaltestelle Richtung Padua. Nach 10 min Gehzeit hielt ploetzlich ein Fiat Panda neben uns an und der Opi fragte uns, ob er uns nach Padua fahren solle. Wir stiegen erneut in sein kleines gruenes Auto ein und er fuhr uns bis zur naechsten Bushaltestelle. Hier hielt er an und sagte in hektischem Italienisch:“Aussteigen, schau wann der letzte Bus faehrt.“ Johan stieg aus und hoffte, dass der Opi nicht mit Nanni allein weiterfuehre. Gluecklicherweise wartete er und wir fuhren gemeinsam ins Zentrum. Auf dem Weg wies ein Schild auf eine Bibliothek im Vorort hin. Nanni bat ihn dort anzuhalten, um das Internet zu nutzen. Mit dem Kommentar:“La biblioteca e un cazzo!“ setzte er seine Fahrt fort. Im Stadtkern angekommen stuermte er wieder aus dem Auto und liess alle Fenster offen; er habe sowieso nur 200€ fuer das Auto bezahlt. Wir rannten in sein Stammcafé und er bestellte hastig 2 Kaffee und ein Wasser. Nanni hatte gerade Zucker in ihren Espresso geruehrt, da hatte er seinen schon heruntergekippt und war aus dem Café auf die Strasse gehetzt. Ohne einen Tropfen Kaffee getrunken zu haben, wurde Nanni herausgewunken. Er lief mit ihr zu einer Kreuzung, zeigte eilig Norden und Sueden an und erklaerte schnell, dass in eine Richtung etwas ganz Grosses stehen wuerde. Die italienischen Worte sprudelten so aus ihm heraus, dass Nanni nur die Haelfte verstand, aber es musste etwas Besonderes gewesen sein. Danach verabschiedete er sich, rannte zu seinem Auto und fuhr weg.

In dem Café lernte Johan in der Zwischenzeit einen alten Schulfreund von unserem Opi kennen. Er sagte in gebrochenem Deutsch:“Antonio ist ein Original. Wundern sie sich nicht; er ist so, seit er 15 Jahre alt ist.“ Diese Aussage beruhigte uns etwas in unserer Entscheidung bei Antonio geblieben zu sein.

Nachdem wir etwas in der Stadt herumgelaufen waren, fuhren wir mit den geschenkten Tickets zurueck zum Rohbau. Dort angekommen hatte Antonio bei ca.20°C Aussentemperatur schon den Holzofen in der kleinen Kueche befeuert und sie so auf etwa 35°C angeheizt. Daher verwunderte es nicht, dass er waehrend des Kochens sein Hemd ablegte und halbnackt in den Toepfen ruehrte. Dies geschah mit aeusserster Konzentration und Schnelligkeit, wobei er alle paar Minuten eine Nudel aus dem Topf fischte und auf den Tisch warf. Sobald sie etwas abgekuehlt war, stopfte er sich diese in den Mund. Nach einiger Zeit war er zufrieden mit dem Ergebnis und bat zu Tisch. Innerhalb von 45 Sekunden schlang er einen kompletten Teller viel zu heisser Nudeln mit Shrimps herunter und stuermte wieder aus dem Zimmer. Nachdem er weg war, fingen wir an, die etwas abgekuehlten Nudeln zu essen. Wir waren ueberrascht, wie lecker das Essen war und dass sich die Nudelwurfmethode anscheinend bewaehrt hat.

Nach dem Essen erklaerte der ehemalige Lehrer Nanni in aller Ausfuehrlichkeit, was es alles zu fruehstuecken gab und wie sie den Gasherd zu bedienen hat, um einen Kaffee zu kochen.Daraufhin entliess er uns und wir durften schlafen gehen. Im Nachhinein waren alle Menschenfressersorgen unbegruendet und Antonio stellte sich als sehr netter, wenn auch kauziger Gastgeber heraus. Er war eben ein Original!

 

5 Antworten zu “Reisebericht Nr. 23 – Halbnackter Opi wirft Nudel auf den Tisch”

  1. Martiin sagt:

    Puh, Glück gehabt! Bei der Überschrift dachte ich nämlich schon, dass eine andere Nudel gemeint war (; Aber auch so eine starke Story!

  2. Thao sagt:

    Oh mann, teilweise habe ich bei Eurer Geschichte mitgebangt, nach dem Motto, irgendetwas ist immer faul an der ganzen Sache. Hehe. Letztendlich habe ich mich herrlich amüsiert. Vielleicht wird es nicht der letzte eigenartige Kauz gewesen sein. Hauptsache die Herzlichkeit ist da… Viel Spaß noch ihr Beiden! Viele Grüße aus Potsdam von uns Dreien.

  3. seberika sagt:

    haha, die Überschrift macht auf jeden Fall neugierig..
    lustige Geschichte 🙂

  4. Gitta sagt:

    Ja, ja! Es laufen mehr Autisten und ADHSler in der Welt herum, als man denkt! Und trotzdem: immer schon aufpassen!
    Es ist gut, wenn man solche Erfahrungen macht und erkennt, die meisten Lehrer, auch Ehemalige sind im Herzen gute und originelle Typen! Ihr kennt doch auch schon ein paar in der Verwandschaft! (hi, hi)

  5. Der Stephan sagt:

    Ja ja, die Männer. Auch ich vermutete eine andere Nudel.
    Aber wat willse auch von nem Mathematik- und Physiklehrer erwarten. Der muss ja verrückt sein 😛

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